Im Gespräch mit dem Vereinschef

Kürzlich wurde Henry Buchberger erneut zum Vorsitzenden des SV Fortuna Griesheim gewählt. Der 31-Jährige engagiert sich seit dem Jahr 2005 im Vorstand des Fußballvereins und ist seit drei Jahren sogar dessen Vorsitzender. Antonio Kumm sprach mit dem gebürtigen Griesheimer über die Inhalte seine Rede zur jüngsten Mitgliederversammlung.

Vor drei Jahren hast du das Amt von Wolfgang Kapp übernommen. Nun wurdest du erneut zum Vorsitzenden der Fortuna gewählt. Was bedeutet dir das?

Mittlerweile sind 36 Monate vergangen, in denen ich einen Verein leitete, in welchem ich mit sechs oder sieben Jahren begann Fußball zu spielen. Dass ich dieser Fortuna eines Tages vorstehe, daran habe ich damals natürlich keineswegs gedacht. Es ist nicht nur irgendein Amt gewesen, verbunden mit diversen Aufgaben, welches ich vor drei Jahren übernahm, sondern es war eine Herzensangelegenheit. Diese ist es heute auch noch. Demzufolge ist es ein gutes Gefühl, wenn die Mitglieder ihrem „Chef“ erneut das Vertrauen schenken.

 

Es gibt statistische Erhebungen des Deutschen Olympischen Sportbundes, die verdeutlichen, dass Sportvereine keinesfalls überholt sind und noch immer eine hohe Anziehungskraft aufweisen. Dennoch ist das Mitgliederwachstum in den Sportvereinen keinesfalls selbstverständlich. In den letzten fünf Jahren stagnierte die Entwicklung. Wie sieht es diesbezüglich bei der Fortuna aus?

2015 hatten wir mal 129 Mitglieder, heute sind es 154, davon 23 weiblich und 131 männlich. Allein der Nachwuchsbereich umfasst 75 Jungen und Mädchen. In den letzten drei Jahren konnten wir ähnliche Zahlen verbuchen. Unsere Mitgliederzahlen sind also relativ stabil und im Vergleich zu 2015 kann man sogar einen deutlichen Zuwachs verzeichnen. Man könnte sagen, wir haben unsere Anziehungskraft nicht verloren.

 

Mit Blick auf Gegenwart und Zukunft des Vereinssports in Deutschland spielt vor allem der demografische Wandel eine immer größere Rolle. Wie begegnet die Fortuna diesem?

In einer Gesellschaft, die einem ständigen Wechsel und immer schneller einsetzenden Veränderungsprozessen unterliegt, sind wir gefordert, neue Herausforderungen zu bewältigen und zugleich unser Profil weiterzuentwickeln. Und das haben wir getan.

 

Wie habt ihr das gemacht, was habt ihr dafür getan?

Zunächst war es uns wichtig, die Mitgliederzahl von 2015 (129) zu steigern. Aber um Mitgliederentwicklung aktiv zu betreiben, braucht es eine Strategie. Wir versuchten Angebote und Kommunikationsformen zu entwickeln, die auf die besonderen Bedarfe und Anforderungen einzelner Zielgruppen zugeschnitten sind. So haben wir uns Menschen mit Migrationshintergrund geöffnet, für unseren Nachwuchs an den internationalen Ferienfreizeiten festgehalten und die Griesheimer Fußballcamps ins Leben gerufen. Ebenso haben wir eine Facebookseite, die stark frequentiert ist, und seit kurzem einen Instagram-Account. Beide letztgenannten Dinge sind wichtig (vielleicht auch notwendig), um besonders mit jungen Menschen zu kommunizieren.

 

In deiner Rede hast du von strukturellen Ansätzen gesprochen. Was steckt hier dahinter?

Die Idee, Rahmenbedingungen für Wachstum und Entwicklung zu schaffen. Das können zum Beispiel der Neubau von Sporthallen, neue Mitgliedschaftsmodelle oder neue Vorstands- oder Abteilungsstrukturen sein. Das können auch neue Formate für Beteiligung, Ehrenamt und freiwilliges Engagement sein. Das bedeutet für mich und meinen Vorstand, dass wir regelmäßig daran arbeiten, die Rahmenbedingungen vor Ort zu verbessern. Heißt beispielsweise: unsere Sportstätten zu sanieren, neues Trainingsmaterial anzuschaffen, mit den Bürgermeistern und anderen Entscheidungsträgern im Gespräch zu bleiben.

 

Du erwähntest neue Formate im Ehrenamt.

Hier haben wir mit Dankeschönveranstaltungen für Trainer, Ehrenamtliche, Helfer und Sponsoren ein altes Format aufleben lassen, um niveauvoll DANKE zu sagen, an jene Personen, die sich das ganze Jahr über engagieren. Ebenso haben wir zum 85-jährigen Vereinsjubiläum 2017 erstmalig einen Ehrenpreis des Vereins verliehen. Enorm wichtig, denn wenn ich jemanden auch etwas gebe und nicht nur nehme, dann ist doch dessen Motivation, weiterzugeben und sich zu engagieren, wesentlich höher. Und Menschen, die sich engagieren, braucht unser Verein.

 

In der Mitgliederversammlung hast du von kulturellen Ansätzen gesprochen, worunter du zum Beispiel die Verbesserung des Images des Vereins verstehst.

Ja, eine wesentliche Rolle spielt darin die Außenorientierung unseres Vereins, die sich in der Bereitschaft äußert, mit anderen Organisationen und Vereinen zu kooperieren  und in Netzwerken tätig zu werden. Zum Beispiel helfen wir bei Kindergartensportfesten der Sportjugend Ilm-Kreis, beim Griesheimer Weihnachtsmarkt, bei besonderen Veranstaltungen des Agrarcenters Griesheim oder der Griesheimer Kirchgemeinde. Wir initiieren selbst das traditionelle Lagerfeuer zum Tag der Deutschen Einheit und organisieren Sommersportfeste mit Fußball- und Volleyballturnieren für Jedermann, teilweise mit Musik- und Tanzveranstaltungen. All diese genannten Dinge, machen deutlich, dass unser Vereinsleben in Takt ist und dieses Bild trägt sich auch in die Öffentlichkeit.

 

Vorhin erwähntest du, dass ihr euch Menschen mit Migrationshintergrund geöffnet habt. Was bedeutet Integration für euch?

Integration verlangt eine Annäherung von zwei Seiten: Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bewegen sich aufeinander zu. Übertragen auf unsere Strukturen bedeutet das: wir suchen die Verbindung zu Zugewanderten und finden einen Umgang mit möglichen Differenzen. Und Zugewanderte suchen die Verbindung zu uns und lassen sich auf unsere Besonderheiten ein.

 

„Integration durch Sport“ – ist das euer Motto?

Unser Verein hat sich diesem Motto nicht nur theoretisch verschrieben, sondern ebenso zur praktischen Aufgabe gemacht. Vielmehr noch: unser Verein lebt diese Integration durch den Sport. Wir haben uns eine gute Integration und die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten am gesellschaftlichen Leben auf die Fahnen geschrieben. Denn Vielfalt bedeutet für mich Chancen. Für beide Seiten. Der Vorstand und ich sehen diese Menschen, die bei uns im Verein ihrer Leidenschaft frönen, als Bereicherung. Wir können mit Stolz sagen, dass wir Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Milieus vereinen und dadurch ein bereicherndes multikulturelles Vereinsleben und ein von Wertschätzung geprägtes Miteinander erhalten.

 

Dein Nachwuchsleiter Mario Bloß sprach in seiner Rede von den Fußballcamps, die ihr bereits dreimal durchgeführt habt. Warum macht ihr das? Das macht doch Arbeit.

Natürlich macht das Arbeit. Aber das ist für uns nicht der entscheidende Punkt. Wir sehen viele Vorteile in dieser Art von Fußballerlebnissen. So lernen die Kinder aus dem Umkreis unseren Verein kennen, die Teilnehmer können sich sportlich weiterentwickeln und der Teamgedanke und die Motivation im eigenen Verein werden verbessert.

 

Reden wir über den Spielbetrieb der Männer. Du hast das Thema mit den Worten „neue Wege“ überschrieben. Warum müsst ihr diese neuen Wege gehen?

Weil die Basis des Deutschen Fußball-Bundes bröckelt. Gerade in den unteren Klassen müssen immer mehr Vereine den Spielbetrieb einstellen. Die Verantwortlichen vermuten hinter dem Mannschafts-Sterben in den unteren Spielklassen vor allem den demografischen Wandel und das veränderte Freizeitverhalten der Gesellschaft. 

 

Bekommt ihr das auch zu spüren?

Ja, sonst müssten wir keine Spielgemeinschaft im Männerbereich eingehen. Vereine wie unserer können schon längst nicht mehr nur mit Spielern des eigenen Dorfes existieren, wie das vielleicht früher noch funktionierte. Seit Jahren sind wir auf die Kids, Jugendlichen und jungen Männer aus anderen Orten angewiesen. Spielgemeinschaften sind heutzutage gängige Praxis.

 

Letzte Saison hattet ihr noch eine Spielgemeinschaft mit dem SV Deube Großliebringen. Seit dem Sommer mit dem SV Dienstedt/Hettstedt. Warum?

Altersbedingt, berufs- oder ausbildungsbedingt wurde die Zahl der aktiven Fußballer geringer. Natürlich muss man ehrlicherweise sagen, dass die Zuverlässigkeit mancher Spieler auch eine Rolle spielte, wenn unsere Mannschaften nicht antraten oder ersatzgeschwächt herbe Niederlagen kassierten. Heutzutage ist das Angebot an Freizeitaktivitäten riesengroß  und dann spielt nun mal der Fußball im Verein für manche Personen nicht die Hauptrolle.

 

Wie beurteilst du diese Entwicklung?

Das kann jeder beurteilen, wie er das für richtig hält. Man kann sich darüber echauffieren oder nicht. Fakt ist, man ändert an diesem Zustand im seltensten Fall etwas. Fakt ist auch, wir mussten und müssen uns damit auseinandersetzen und Wege, neue oder andere, finden, um unseren Spielbetrieb – möglichst mit zwei Mannschaften – aufrechtzuerhalten.

 

Die Gründung einer Spielgemeinschaft mit dem SV Dienstedt/Hettstedt und die immer noch bestehende Kooperation mit dem SV Deube Großliebringen war also eine Notwendigkeit?

Es war eine gute Entscheidung. Dazu haben alle Stammvereine ihre aktiven Mitglieder befragt und die Mehrheit jener stimmte diesem Vorhaben zu. Die Verantwortlichen der Stammvereine sehen mit der Gründung der neuen Spielgemeinschaft die Basis für eine langfristige Zusammenarbeit, um einerseits den bereits vorhandenen Spielern und anderseits den nachrückenden Jahrgängen beziehungsweise dem guten Nachwuchs die Möglichkeit zu geben, zum einen erfolgsorientiert aber auch freizeitmäßig dem runden Leder nachjagen zu können.

 

Was wäre die Alternative gewesen?

Dass Fortuna Griesheim für die nun laufende Saison nur eine Männermannschaft im Spielbetrieb gemeldet hätte. Viele Spieler, die noch hätten in der Zweiten kicken wollen, wären möglicherweise hinten runtergefallen. Logisch, hat man dann für eine Mannschaft einen Kader von 25 Spielern, dann werden auf kurz oder lange einige die Lust verlieren, weil sie nicht zum Einsatz kommen oder die gestellten Ansprüche in der Ersten zu groß sind. Stirbt die Zweite, stirbt meistens irgendwann auch die Erste. Dafür gibt es im nahen Umkreis ja genügend Beispiele.

 

Gibt es für die Zukunft eures Männerspielbetriebes schon weitere Pläne?

Es gibt erste Gedanken zu einer intensiveren Kooperation zwischen dem SV Deube Großliebringen, dem SV Dienstedt/Hettstedt und unserem Verein.  Allerdings gibt es noch keinen Beschluss oder eine Zeitschiene, es sind lediglich Gedanken, die von allen drei Vereinen diskutiert werden.

 

Die Mitglieder wählten vor einigen Tagen einen neuen Vorstand und es gab personelle Veränderungen. Welche sind das?

Zunächst möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen Mitstreitern Mario Bloß, Diana Zillinger, Hans-Joachim Buchberger, Rainer Scheit, Michael Fuchs, Benjamin Hartung, Christoph Schalm und Maxi Bienwald für ihre geleistete Arbeit und ihr Engagement in den letzten drei Jahren ganz herzlich bedanken. Alle haben ihre Aufgaben gut gemacht.

Für Christoph und Benjamin wurden nun Dominic Heyne und Hendrik Stötzer in den Vorstand gewählt. Mario hatte in der vergangenen Wahlperiode zwei Ämter inne – das Amt des Stellvertreters und des Nachwuchsleiters. Eine Doppelbelastung, die wir nun mit Maxi Bienwald umgehen. Sie kümmert sich ab sofort um alle Belange im Nachwuchsbereich.

 

Was heißt für dich Zukunft, wenn es um deinen Verein Fortuna Griesheim geht?

Zukunft heißt für mich weiterhin den Verein an langfristigen Zielen auszurichten, die Vorstandsarbeit noch effektiver zu gestalten, immer wieder Ehrenamt und Ehrenamtliche in geeigneter Form zu würdigen, Angebote als Schlüssel zur Mitgliedergewinnung zu entwickeln, neue Zielgruppen zu identifizieren und für uns zu gewinnen, durch Kooperationen vor Ort den Verein zu stärken und unseren Verein weiterhin positiv nach außen darzustellen.

 

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